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9 Jahre 9 Monate her - 9 Jahre 9 Monate her #33 von Mumion
Wo Islam drauf steht, ist Terror drin - Analyse Michael Lüders über das Hetz-Buch von Hamed Abdel-Samad

Hamed Abdel-Samads Buch über den islamischen Faschismus, das im Untertitel verspricht „eine Analyse“ zu sein, ist leider genau das nicht. Der gebürtige Ägypter Abdel-Samad will keineswegs analysieren, vielmehr legt er eine Kampfschrift vor. Seine Botschaft lautet: Der Islam ist eine totalitäre Ideologie, die auf Gewalt basiert, nach Weltherrschaft strebt und in der Demokratie ihren Todfeind sieht. Islamischer Faschismus, wie er glaubt. Und selbstverständlich herrscht Alarmstufe rot: Die Uhr zeigt nicht fünf vor, sondern fünf nach zwölf.

Die These vom „Islamo-Faschismus“ ist nicht neu. Nach dem 11. September 2001 wurde sie im Umfeld amerikanischer Neokonservativer schnell populär. Sie war griffig, eingängig und half, der westlichen Öffentlichkeit die Kriege in Afghanistan und im Irak als Kampf zwischen gut und böse zu verkaufen, zwischen Freiheit und Demokratie einerseits und islamischem Totalitarismus andererseits, in Gestalt etwa der Taliban oder von Al-Qaida. Der Begriff „Islamo-Faschismus“ ist gewissermaßen die ultimative Fortführung einer anderen ideologischen Wortschöpfung, nämlich des „Kampfes der Kulturen“, in Umlauf gebracht in den 1990er Jahren von den US- Wissenschaftlern Samuel Huntington und Bernard Lewis. Wer vom „Islamo-Faschismus“ oder dem „Kampf der Kulturen“ schwadroniert, verlagert unterschiedliche geopolitische wie machtpolitische Interessen oder Gegebenheiten auf die Ebene eines kulturell-religiösen Überbaus. Wer etwa die Taliban als „Islamo-Faschisten“ brandmarkt, hat elegant die Tatsache ausgeklammert, dass die Vorläufer der Taliban und Osama bin Laden jahrelang von den USA bewaffnet und finanziert worden sind – bis sie ihre Waffen nicht mehr gegen die Sowjets, sondern gegen die Amerikaner richteten.

Diesen Weg der Geschichtsklitterung geht auch Hamed Abdel-Samad. Soziale oder gesellschaftliche Zusammenhänge interessieren ihn ebenso wenig wie 1400 Jahre islamische Geschichte, Theologie oder Geistesleben. Der Begriff „Islam“ kann ja vieles bezeichnen oder beinhalten: Geschichte, Theologie, Recht, Moral, Dogmatik, Mystik, Kultur, bestimmte Lebensformen, ganze Herrschaftssysteme und so weiter. Aus der Sicht Abdel-Samads geht es aber auch viel einfacher: Islam gleich Faschismus. Einen moderaten Islam, der mit demokratischen Werten vereinbar wäre, gibt es seiner Meinung nach nicht. In den Worten Abdel-Samads:
„Wie ich bereits erwähnt habe, scheint es auf den ersten Blick nicht ganz unproblematisch, Strukturen und Kernaussagen des vergleichsweise jungen Faschismus auf eine über 1400 Jahre alte Religion zu übertragen. Einfacher wird es, wenn man die Bewegungen des politischen Islam in den Mittelpunkt stellt, die fast zeitgleich mit dem europäischen Faschismus entstanden sind. Und ausgehend davon einen Blick in die Vergangenheit und die Gegenwart wirft.“
Der politische Islam, der Abdel-Samad umtreibt, ist keine 100 Jahre alt. Er ist entstanden als Reaktion auf Fremdherrschaft, den Kolonialismus, und als Antwort auf die soziale Verelendung weiter Teile der Bevölkerung. Der politische Islam stellt keine einheitliche Bewegung dar, er hat sich in den letzten Jahrzehnten deutlich gewandelt und deckt ein weites Spektrum ab, das heute vom türkischen Ministerpräsidenten Erdogan bis zu Al-Qaida reicht. Eine wie auch immer geartete Differenzierung vorzunehmen ist Abdel-Samads Sache gleichwohl nicht. Für ihn ist der politische Islam insgesamt schlicht und ergreifend Faschismus und der Islam anders als politisch nicht zu denken. Daraus folgt: Islam gleich politischer Islam gleich Faschismus. Das allein ist methodologischer Unsinn gepaart mit Demagogie. Und bei aller berechtigten Kritik an dem autoritären Gebaren Erdogans: der Mann ist weder ein Faschist noch ein Bruder im Geiste von Osama bin Laden.
Noch hanebüchener wird es, sobald der Autor diesen „islamischen Faschismus“ rückwirkend auf die Geschichte des Islam insgesamt projiziert, ungeachtet seiner regionalen Unterschiede, der theologischen, kulturellen und sonstigen Ausprägungen. Der politische Islam, der gerade einmal 100 Jahre alt ist, soll Rückschlüsse erlauben auf 1400 Jahre Vergangenheit? Wäre es seriös, etwa den Werdegang der Germanen bis ins heutige Deutschland hinein zu beschreiben, indem die Jahre 1933 bis 1945 als alleiniger Maßstab der Beurteilung gelten? Einmal Nazi, immer Nazi, rückwirkend bis zur Varusschlacht? Das genau ist die Methode von Abdel-Samad, nicht mehr und nicht weniger. Schamgrenzen kennt er dabei nicht. Abraham war bekanntlich Stammvater von Judentum, Christentum und Islam. Die Bereitschaft Abrahams, seinen eigenen Sohn Gott zu opfern, ist für Abdel-Samad Ausdruck von Faschismus: Bedingungsloser Gehorsam und Opferbereitschaft bis zum Äußersten. Warum, gemäß dieser Logik, nicht auch Judentum und Christentum faschistische Religionen sind, lässt er offen. Stattdessen schafft der Autor innerhalb von nur sechs Sätzen den Sprung von Abraham hin zu Goebbels’ Durchhalte-Rede im Sportpalast: Wollt ihr den totalen Krieg? Bedarf es noch der Erwähnung, dass Abdel-Samad zwischen deutschem Nationalsozialismus und italienischem Faschismus keinen Unterschied macht und ihn Faschismustheorien nicht im Geringsten interessieren? Ebenso wenig wie islamische Geistes- oder Theologiegeschichte, deren kursive Darstellung er auf zwei mittelalterliche Erzreaktionäre beschränkt, Ibn Hanbal und Ibn Taymiyya? Welchen Wert würde man dem Werk eines Autors beimessen, der 2000 Jahre Kirchengeschichte unter Verweis auf zwei theologische Apologeten der Hexenverbrennung abzuhandeln versuchte?

Abdel-Samad geht es nicht um eine seriöse Analyse islamistischer Gewalt. Die Bezüge, die er zwischen islamistischen Bewegungen und dem Dritten Reich herzustellen versucht, sind bestenfalls oberflächlich und halten einer Überprüfung durch vorliegende wissenschaftliche Untersuchungen zum Thema nicht stand. In erster Linie lässt der Autor seinem pathologisch zu nennenden Hass gegen die ägyptische Muslimbruderschaft freien Lauf, der 1928 gegründeten Urzelle aller islamistischen Bewegungen. Der Militärputsch gegen die demokratisch gewählte Regierung der Muslimbrüder unter Mohammed Mursi im vorigen Sommer erfüllt ihn mit Begeisterung.

Abdel-Samad schreibt:
„Im Dezember 2013 schließlich wurden führende Köpfe der Muslimbrüder vor Gericht gestellt. Der Vorwurf: Sie hätten zur Tötung von Demonstranten aufgerufen. Allein diese Tatsache zeigt, dass der moderate Islamismus der Bruderschaft nichts als ein Mythos ist, sondern hier mit Methoden gearbeitet wird, die man auch von faschistischen Bewegungen kennt.“
Abdel-Samad setzt mithin einen bislang durch nichts bewiesenen Vorwurf der Militärjustiz mit einer erwiesenen Tatsache gleich und nimmt sofort wieder die Faschismus-Keule zur Hand. Dass die Armee im Sommer vorigen Jahres 1400 Demonstranten, die gegen den Militärputsch protestierten, kaltblütig erschossen hat, erwähnt er mit keinem Wort.

Um seine Glaubwürdigkeit zu erhöhen, verweist Abdel-Samad ausführlich auf eine gegen ihn verhängte „Todes-Fatwa.“ Die aber hinderte ihn nicht daran, auch weiterhin nach Kairo zu reisen und auf Polizeischutz zu verzichten. Als er Ende vorigen Jahres schließlich entführt wurde, wurde er nicht etwa das Opfer von Islamo-Faschisten, sondern offenbar von dubiosen Geschäftspartnern, die mit ihm noch eine Rechnung offen hatten. Diesen Zusammenhang aber zieht er vor zu verschweigen.

Dennoch, Abdel-Samads Machwerk wird sich gut verkaufen. Nicht weil es lesenswert wäre. Sondern weil er die Vorurteile der deutschen Mehrheitsgesellschaft bedient: Wo Islam drauf steht, ist Terror drin, mindestens aber Mittelalter und Kopftuch. Wie seine Schwestern im Geiste, Necla Kelek und Seyran Ates, dient er sich als Kronzeuge der Anklage an: Ich bin Muslim, und ich kann nur bestätigen, was ihr, liebe Deutsche, mehrheitlich sowieso denkt: Islam und Demokratie, das geht einfach nicht zusammen. Diese Haltung wird hierzulande gerne missverstanden als „mutiger Tabubruch“ oder „Aufklärung“. Das ist sie mitnichten. Allen voran geht es um Selbstdarstellung, gepaart mit dem Zerrbild eines vermeintlich ewigen Muslims.

Quelle: islam.de/23501.php
Letzte Änderung: 9 Jahre 9 Monate her von Mumion.

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9 Jahre 9 Monate her #34 von Mumion
29. April 2014 15:52

Islamismus und Faschismus
Die Halbwahrheiten des Hamed Abdel-Samad




Hamed Abdel-SamadBild vergrößern Wettern gegen die Muslimbrüder: Hamed Abdel-Samad (Foto: dpa)
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Entweder kennt er die Fakten nicht oder er unterschlägt sie: In einem geschichtsverzerrenden Pamphlet stempelt der deutsch-ägyptische Autor Hamed Abdel-Samad die Muslimbrüdern als Faschisten ab. Dabei zeichnete er früher selbst ein ganz anderes Bild der islamistischen Bewegung.

Von Joseph Croitoru
Seit George W. Bush 2006 islamistische Terroristen zur Speerspitze eines "Islamofaschismus" erklärte, hat dieser Begriff eine steile Karriere erlebt. So ist er hierzulande bei Rechts- wie bei Linkspopulisten, die mit diesem Etikett auch die islamische Religion per se zu diffamieren suchen, ebenso beliebt wie bei militanten Gegnern des politischen Islams in den muslimischen Ländern. Diesen Kreisen kommt das Pamphlet "Der islamische Faschismus. Eine Analyse" des deutsch-ägyptischen Publizisten Hamed Abdel-Samad mehr als gelegen.

Samads Ausgangspunkt ist die Gleichsetzung der ägyptischen Muslimbruderschaft mit den kurz vor ihr im Zwischenkriegseuropa entstandenen faschistischen Bewegungen. Die Abstempelung als Faschisten soll die Muslimbrüder, zu deren Anhängern Abdel-Samad in seiner Kairoer Studienzeit selbst gehörte, moralisch und politisch noch zusätzlich diskreditieren - also über den Terrorismus-Vorwurf hinaus, mit dem man neuerdings in Ägypten auch Todesurteile gegen Hunderte ihrer Mitglieder begründet.

Muslimbrüder-Gründer zu Hitler-Bewunderer stilisiert
Die Faschismus-Analogie hatte Abdel-Samad schon kurz vor dem Militärputsch vom Juli 2013 in einem Vortrag in Kairo gezogen. Und - hierzulande unbekannt - wenig später auch in einem Beitrag in der regimenahen Kulturzeitschrift Akhbar al-Adab, womit er sich der von Ägyptens Militärregime gegen die Muslimbrüder betriebenen Propagandakampagne angeschlossen hat.

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Nun stilisiert er in gleicher Manier den Gründer der Muslimbruderschaft, Hassan al-Banna, zu einem glühenden Bewunderer Hitlers und Mussolinis. In der Tat hatten die beiden al-Banna Anfang der Dreißigerjahre fasziniert - allerdings war das von Beginn an mit deutlicher Skepsis verbunden, was der Autor ausblendet.

Dem Leser vorenthalten bleibt auch, dass al-Banna und seine Anhänger schon wenige Jahre später zu den schärfsten ägyptischen Kritikern des Faschismus und Nationalsozialismus wurden. Sie lehnten den Rassismus dieser Bewegungen kategorisch ab und verurteilten sie als imperialistisch und diktatorisch. Mehrfach nachgewiesen hat dies der Tel Aviver Orientalist Israel Gershoni, auf Deutsch zuletzt in der gemeinsam mit Götz Nordbruch 2011 vorgelegten Studie "Sympathie und Schrecken. Begegnungen mit Faschismus und Nationalsozialismus in Ägypten 1922-1937".

Wie sich Abdel-Samad als Aufklärer disqualifiziert
Entweder kennt Abdel-Samad diese Fakten nicht oder er unterschlägt sie. Obendrein betreibt er Geschichtsklitterung, indem er al-Banna mit einer Aussage unvollständig zitiert: Dieser listet die anfänglichen innen- wie außenpolitischen Erfolge Hitlers und Mussolinis auf. Doch nur, um in der Rückschau - der Text stammt von 1948 - noch einmal mahnend daran zu erinnern, dass der europäische Faschismus in die Katastrophe geführt und Millionen Menschenleben gekostet habe: Diesen unmittelbar anschließenden Kommentar sucht man bei Abdel-Samad vergebens.

Auch dient ihm die Kollaboration des palästinensischen Mufti Amin al-Husseini mit dem NS-Regime trotz ihres Ausnahmecharakters nicht nur als Beleg für die angebliche Kompatibilität von Islam und Nationalsozialismus. Die antisemitische Hetze des Großmufti, so wird suggeriert, soll derart nachhaltig gewirkt haben, dass nach 1948 "vor allem" für die palästinensischen Flüchtlinge in der arabischen Diaspora der "Antisemitismus zum Identitätsstifter" geworden sei - eine durch nichts belegte Unterstellung, die allein schon durch die Tatsache widerlegt wird, dass sich die 1964 ebenfalls im Exil gegründete palästinensische Befreiungsbewegung vom europäisch inspirierten Antisemitismus distanzierte und zwischen Juden und Zionisten klar unterschied.

Geschichtsverzerrend ist auch Abdel-Samads Behauptung, die Muslimbruderschaft sei die "Mutterorganisation des islamistischen Terrorismus", al-Qaida "eine ihrer Ausgeburten". Hier fehlt jeglicher Hinweis darauf, dass manch militanter ägyptischer Islamist gerade in Abgrenzung zu den Muslimbrüdern und deren Gewaltverzicht den Weg des Terrors beschritt.

Aus dem Propaganda-Arsenal des Militärregimes
Übrigens hatte Abdel-Samad 2008 noch ein gänzlich anderes Bild von der ägyptischen Muslimbruderschaft gezeichnet, die er heute als antimodern, diktatorisch und gewalttätig einstuft. Ihr Diskurs, schrieb er damals rückblickend auf seine Zeit bei der Bruderschaft in einem "Identitätssuche und Radikalisierungserfahrungen" überschriebenen Aufsatz, "war für uns modern und emanzipatorisch" und sie habe "ganz auf ideologische Mobilisierung und nicht auf den unmittelbaren bewaffneten Kampf" gesetzt.

Tatsächlich ließen die Muslimbrüder - wie ihr vorläufiges Parteiprogramm von 2007 belegte - keinen Zweifel daran, dass sie sich gern als Partei an einer Demokratie beteiligen würden, wenn man sie denn ließe. Dass unter dem gestürzten Präsidenten Mohammed Mursi eine - wenn auch teils problematische - demokratische Verfassung verabschiedet wurde, hält Abdel-Samad nicht für erwähnenswert. Mursis "Absetzung", schreibt er, "war kein Putsch, sondern eine Notwendigkeit. Um der Demokratie zu ihrem Recht zu verhelfen".

Nicht nur solche Parolen aus dem Propaganda-Arsenal des repressiven ägyptischen Militärregimes disqualifizieren den Autor, für den alle Islamisten, egal welcher Färbung, Faschisten sind, für die Rolle des Aufklärers. Die Grenze zur Demagogie überschreitet Abdel-Samad auch, wenn er den Propheten Muhammad als grausamen Mörder und Vergewaltiger erscheinen lässt, Abraham als Faschisten verunglimpft und behauptet, "Faschismus ist in gewisser Weise mit dem Monotheismus verwandt". Man wundert sich, dass hier dem als "Islamkritiker" derzeit allseits hofierten Publizisten nicht auch von christlicher und jüdischer Seite vehement widersprochen wird.

Joseph Croitoru, in Haifa geboren, ist Journalist und freier Historiker. Er hat Bücher über die Geschichte des Selbstmordattentats und der palästinensischen Hamas veröffentlicht.

Quelle: sz.de/1.1945667
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9 Jahre 9 Monate her - 9 Jahre 9 Monate her #35 von Mumion
02.04.2014
Hamed Abdel-Samads umstrittene Islam-Thesen

Der Bushido unter den Islamkritikern

"Der islamische Faschismus" von Hamed Abdel-Samad ist keine Analyse, sondern eine Polemik gegen den politischen Islam. Dabei ist der Autor denjenigen, die er so scharf kritisiert, weitaus ähnlicher, als ihm bewusst ist. Von Daniel Bax

Von Islamisten bedroht zu werden kann gefährlich sein. Das weiß die westliche Öffentlichkeit, seit der britische Schriftsteller Salman Rushdie jahrelang untertauchen musste, weil der greise Revolutionsführer Ayatollah Khomeini im Mai 1989 im Iran eine Todes-Fatwa gegen ihn aussprach. Seitdem hat das Wort "Fatwa", eigentlich der islamische Fachbegriff für ein religiöses Rechtsgutachten, einen absolut mörderischen Beiklang.

Doch nicht jede Bedrohung ist gleich. Und manche tragen die Tatsache, schon mal von irgendwelchen Islamisten bedroht worden zu sein, sogar wie ein Gütesiegel vor sich her – vergleichbar mit breitbeinigen Rappern, die auf ihren CDs voller Stolz den Hinweis führen: Achtung, Explicit Lyrics!

Der deutsch-ägyptische Publizist Hamed-Abdel Samad ist, so gesehen, der Bushido unter den Islamkritikern: Vieles an ihm wirkt etwas dick aufgetragen, großspurig und unseriös. Doch viele deutsche Journalisten schauen bei ihm selbst über offensichtliche Widersprüche und Ungereimtheiten gnädig hinweg, lassen sich gerne blenden oder mildernde Umstände walten, nach dem Motto: die Orientalen sind halt so, die neigen eben zu Übertreibungen. Anders ist nicht zu erklären, warum der Publizist in deutschen Medien als Islam-Experte, obwohl ihn dafür wenig mehr als seine ägyptische Herkunft qualifiziert.

Dass es mit seiner "Todes-Fatwa" nicht so weit her sein kann, zeigte sich im November 2013, als der 42-Jährige trotz angeblicher Lebensgefahr nach Ägypten reiste. Als er dort entführt wurde, glaubten viele, es müssten Islamisten dahinter stecken. Am Ende stellte sich heraus, dass es nur um einen banalen Geldstreit ging.

Die Affäre warf viele Fragen auf: Warum reist jemand freiwillig in das Land, aus dem heraus er angeblich mit dem Leben bedroht wird? Und warum lässt er bewusst seine Bodyguards zurück, um sich mitten in der Stadt, in einem belebten Ort mit Unbekannten zu treffen, und lässt sogar engste Angehörige darüber im Unklaren? Sagen wir es mal so: Salman Rushdie hätte das wohl nicht gemacht.

Historischer Rundumschlag

Bis heute hat Hamed Abdel Samad noch keine überzeugende Erklärung für sein Verhalten geliefert. Aber es fragt ja auch keiner so genau nach. Dabei gibt der Autor derzeit ausgiebig Interviews zu seinem neuen Buch. Es trägt den Titel "der islamische Faschismus", und auf dem Umschlag darf die Behauptung nicht fehlen, der brisante Inhalt hätte dem Autor eine "Todes-Fatwa" eingebracht.

Tatsächlich hat Abdel Samad seine Kernthese, der Faschismus sei schon in der Frühzeit des Islams selbst angelegt gewesen – die Eroberung von Mekka durch die Anhänger des Propheten Muhammed habe dafür die Saat gelegt –, schon im Juni 2013 bei einem Vortrag im kleinen Kreis in Kairo vertreten.

Nachdem ein Video der Veranstaltung im Netz landete, starteten Islamisten dort eine Hetzkampagne gegen ihn. Das war umso bemerkenswerter, als Abdel-Samad bis zu diesem Zeitpunkt in Ägypten weitgehend unbekannt war. Seit der ägyptische Präsident Mohammed Mursi im Juli 2013 vom Militär gestürzt wurde, hat sich der Wind dort allerdings gedreht. Der Hassprediger Assem Abdel Magad etwa, der auf einem Islamisten-Sender Abdel-Samad und viele andere, darunter prominente Politiker, Schauspieler und Christen, bedroht hatte, flüchtete ins Ausland. Derzeit soll er sich in Qatar aufhalten, die ägyptischen Behörden verlangen seine Auslieferung.

In seinem Buch hat Abdel Samad seine Grundthese nun etwas ausgebaut, um eine Linie von Abraham bis zum modernen Islamismus von heute zu ziehen. Dabei unterscheidet er nicht groß zwischen den ägyptischen Muslimbrüdern, Salafisten, dem Mullah-Regime im Iran und den Wahhabiten Saudi-Arabiens – alles religiöse Faschisten, irgendwie.

Dass sich schiitische und sunnitische Islamisten im Irak und Syrien bis aufs Blut bekämpfen und dass Saudi-Arabien den Putsch des ägyptischen Militärs gegen die Muslimbrüder unterstützt hat, weil es deren demokratische Konkurrenz fürchtet, solche Feinheiten unterschlägt der Autor, weil sie nicht in sein grobes Schwarz-Weiß-Raster passen.

"Der islamische Faschismus" ist ein schlampig zusammengeschriebenes Buch, das eine wilde Mischung aus Wikipedia-Wissen, persönlichen Anekdoten und Kommentaren des Autors enthält und großzügig den Stand der Forschung ignoriert, etwa zum Antisemitismus in arabischen Ländern.

Platte Polemik und alter Hut

Was der Autor eine "Analyse" nennt, ist in Wirklichkeit eine platte Polemik und ein alter Hut. Denn die Gleichsetzung von Islamismus und Faschismus ist nicht neu. Schon US-Präsident George W. Bush behauptete, sein Land bekämpfe den "Islamfaschismus", um seinen Einmarsch im Irak und seine rigorosen Anti-Terror-Gesetze zu rechtfertigen. Und Israel zog den Faschismus-Vorwurf heran, um seine Kriege gegen die Hisbollah im Libanon 2006, die Hamas im Gazastreifen 2009 und seine Angriffsdrohungen gegen den Iran zu begründen. Meist dient der Vergleich also kriegerischen oder zumindest undemokratischen Zwecken.

Abdel-Samad verbindet das Schlagwort vom "islamischen Faschismus" nun mit der These vom Gewaltpotential, die allen monotheistischen Religionen inne sei. Die hat der Kulturwissenschaftler Jan Assmann schon vor zehn Jahren vertreten – er vermochte schon damals aber nicht zu erklären, warum es dann auch unter Hindus in Indien oder in Japan starke faschistische Strömungen gab und gibt.

Und das europäische Beispiel zeigt, dass sich auch monotheistische Religionen befrieden lassen. Warum sollte das im Nahen Osten nicht auch gelingen? Auch dort ging die meiste Gewalt im 20. Jahrhundert übrigens nicht von der Religion, sondern von einem übersteigerten Nationalismus und autoritären Regimes aus. Und so sympathisch sein Plädoyer für den Säkularismus in westlichen Ohren klingen mag: Eine echte Trennung von Staat und Religion hat es weder in Ägypten noch einem anderen Land der Region je gegeben – und wird es auch unter Ägyptens neuem starken Mann, General al-Sisi, nicht geben, der schon heute nicht weniger Koranverse im Mund führt als seine Gegner.

Wenn dort derzeit jemand um sein Leben fürchten muss, dann sind es vor allem die Anhänger der Muslimbrüder, die in Ägypten derzeit zu Hunderten im Gefängnis schmachten. Mitleid mit ihnen kennt Abdel-Samad aber nicht, ganz im Gegenteil. Den Putsch gegen Mursi – immerhin des ersten Zivilisten, der in der Geschichte Ägyptens an die Spitze des Staates gewählt wurde – begrüßte er im Juli 2013 in der Bild-Zeitung sogar als "Sieg der Hoffnung", und auf seiner Facebook-Seite betätigt er sich seither ausgiebig als inoffizieller Sprecher der ägyptischen Armee. Zynisch schrieb er nach dem Massaker der Armee an Hunderten von Muslimbrüdern, die für die Wiedereinsetzung ihres Präsidenten demonstriert hatten: "Der Faschismus wurde auch nicht durch die Politik besiegt".

Entmenschlichung des politischen Gegners

Auch die Verhaftung der Führungsriege der Muslimbrüder sei "kein Verstoß gegen die Menschenrechte", sondern bloße Terror-Prävention, meinte er kurz darauf. Und selbst angesichts des Skandal-Schnellverfahrens gegen 500 Muslimbrüder Ende März 2014 konnte er sich zu keiner klaren moralischen Verurteilung der Todesurteile durchringen – er kritisierte sie lediglich als ungeeignetes Mittel: "So schreckt man Terroristen nicht ab", befand er in einem Interview knapp. Denn was immer passiert, Abdel-Samad bleibt dabei: Die Muslimbrüder seien "keine Opfer", sondern würden selbst "am meisten" von den Todesurteilen profitieren, weil sie dadurch zu Märytrern kämen. So macht man Opfer zu Täter.

Dabei entgeht Abdel-Samad die Ironie, dass seine eigene Faschismus-Definition viel eher auf das aktuelle Militärregime in Ägypten als auf die Muslimbrüder zutrifft. Eine ausgeprägte Freund-Feind-Rhetorik, die Entmenschlichung des Gegners, der Rückgriff auf Verschwörungstheorien und ein bizarrer Führerkult – all das kennzeichnet das aktuelle Ägypten unter dessen neuen starken Mann, General Abdel Fattah al-Sisi. Doch bis heute hat man von Abdel-Samad noch kein echtes Wort der Kritik an Ägyptens neuen Machthabern geäußert.

Das ist kein Wunder. Denn wie sie ist Hamed Abdel-Samad davon überzeugt, der politische Islam müsse militärisch besiegt werden – so, wie der europäische Faschismus im 20. Jahrhundert. Das allerdings ist ein Rezept für ein Desaster.

Fast alle autoritären Herrscher der Region haben darauf gesetzt, und sind damit gescheitert. Doch das ficht Abdel-Samad nicht an. Man stehe "vor einer Schlacht mit apokalyptischer Dimension", schwadronierte er kürzlich in einem Interview mit der eisigen Schärfe eines Extremisten. Denn seine Stimme mag sanft sein, seine Sprache und seine Botschaft sind hart und militärisch. Sein Beispiel zeigt, dass manche Kritiker des politischen Islam mit den Fundamentalisten, die sie kritisieren, viel mehr gemein haben, als ihnen bewusst ist.

Daniel Bax

© Qantara.de 2014

Redaktion: Arian Fariborz/Qantara.de

Daniel Bax ist Inlandsredakteur der taz. Zu seinen Schwerpunkten zählen u.a. Integration und Migration, Staat und Religion, Minderheiten und Rassismus, Türkei und Naher Osten sowie Musik und Popkultur.

Quelle: de.qantara.de/inhalt/hamed-abdel-samads-...r-den-islamkritikern
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9 Jahre 9 Monate her - 9 Jahre 9 Monate her #36 von Mumion
Islamkritik als Geschäftsmodell, von Dr. Jürgen Todenhöfer
Der Deutsch-Ägypter Hamed Abdel-Samad nennt in seinem neuen Buch den Islam "Faschismus". Schon klingelt die Kasse. Eigentlich ist das Volksverhetzung nach §130 Strafgesetzbuch. Aber welcher Richter schützt heute noch die Würde einer Religion?

Weiter geht es unter folgendem Link:

www.facebook.com/JuergenTodenhoefer/post...134308240838?fref=nf
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